[Ich bin ja jemand, der sehr, sehr gerne Recht hat - angesichts des allgemeinen Weltgeschehens wäre es mir aber ehrlich gesagt lieber, ich würde mal komplett daneben liegen. Deshalb gibt es jetzt einfach Bilder aus meiner Lieblingsstadt.]
Weil miomarito demnächst einen größeren Vortrag zu Genua halten soll, beschloss er, dass er dazu unbedingt ins Archiv in Genua muss - ich sagte natürlich nicht nein, als er vorschlug, an die drei Wochen am Lago noch ein knappe Woche in Genua dranzuhängen. Ich suchte nach einer Unterkunft möglichst nah an unseren alten Wohnung, zum einen, weil ich was günstig gelegenes haben wollte, damit Tertia auch einfach "nach Hause" konnte und zum anderen weil ich natürlich the "real experience" haben wollte. Hatten wir dann auch, die Wohnung lag mitten drin, um die Ecke unsere Lieblingskneipe, deren nächtlicher Lärm miomarito etwas in die Verzweiflung trieb - während ich einfach selig den sich durch die engen Gassen verstärkenden Geräuschen lauschend glücklich einschlief. Tertia musste auch etwas schlucken, als ich ihr erklärt habe, was die - übrigens sehr netten - Damen, die bei unseren Palazzo auf der Türschwelle sassen, beruflich so machen (die Prostitution hat sich irgendwie etwas verschoben, früher war die in anderen Gassen) - ich habe sie dann auch immer bis zu Tür heimbringen müssen. Ich (und natürlich auch miomarito) habe mich ganz schnell wieder an das Leben in Genua gewöhnt, Tertia hingegen rollte viel mit den Augen, weil wir natürlich ständig irgendwas wie Hm, das war aber früher anders oder Der Laden ist aber neu oder War das nicht früher dort? sagten und sie nur meinte: Mama, echt?! Das ist ZWANZIG JAHRE her!!!

hier geht es runter in die größte zusammenhängend Altstadt Europas
Piazza bei uns um die Ecke
(ich kaufe ja immer italienische Wäscheklammern, weil die größer sind und besser halten
dürfte klar sein klar warum)
Die Altstadt ist - wieder - ein deutliches Stück sauberer geworden, das wird von Besuch zu Besuch besser (das letzte Mal waren wir
vor 3 Jahren da). Vor 20 Jahren lag der Müll einfach auf der Straße, in manche Gassen in den schlechteren Teilen der Altstadt kam man gar nicht mehr rein, weil die voll mit kaputten Kühlschränken, Mülltüten und lauter Sachen, die man gar nicht genau ansehen wollte (meine Freundin in Genua:
cadaveri!), waren. Nachts bewegten sich diese Müllhügel dann und fast katzengroße Ratten sprangen durch die Gegend (was war ich froh, dass wir damals weit oben im 5. Stock wohnten). Zu dieser deutlichen Verbesserung tragen ganz sicher diese Müllräume bei, die es inzwischen in fast jeder Straße (also nicht jeder Gasse, dazu fehlt der Platz) gibt, mit Mülleimer und vermutlich sehr, sehr viel Rattengift - das gibt es allerdings auch an quasi jeder Gassen-Ecke (
derattizzazione!!).

Wie schon geschrieben, die Prostitution hat sich verschoben, auch der Drogenhandel der Subsahara-Afrikaner (natürlich handeln nicht alle mit Drogen, aber weiße Drogen-Dealer gibt es in der Altstadt auf der Straße eher wenig). Früher war die Via Prè fest in schwarzer Hand, ganz am Anfang waren wir oft die einzigen Weißen, die da in dem Moment durch liefen, später verirrten sich auch mal Touristen dahin, die sich dann an ihre Fotoapparate (so lange ist das schon her ;-)) und Handtaschen klammerten (dabei passierte da nie was, weil man keine Polizei in der Straße haben wollte, weil dort eben sehr diskret Drogen verkauft wurden). Die Menschen dort hatten in der Regel keine Papiere, aber Genua war da schon immer eher großzügig, meine damalige Italienisch-Lehrerin und ihre Kolleg*innen sollten zum Beispiel auf Wunsch der damaligen Berlusconi-Regierung überprüfen, ob die Kursteilnehmer gültige Papiere hatten, worauf sie sich weigerten, das zu tun, und entsprechend auch die halbe Klasse keine Papiere hatte.

Via Prè
Die Palazzi in der Straße wurden in den letzten ... ich würde tippen ... 15 Jahre von der Stadt renoviert und die Wohnungen an die davor unter unglaublichen Bedingungen dort wohnenden Menschen vermietet. Heute ist die Straße tatsächlich sauber (es fahren auch gefühlt alle 10 Min mehrere Müllautos durch), es gibt viele kleine Geschäfte, Soziale Einrichtungen und Nachbarschaftsdinger und das ein oder andere Hotel und ich hoffe einfach, das bleibt so (wird nicht mehr und auch nicht wieder weniger)
Das ist der Eingang zu unserem alten Palazzo und ich habe gesehen, das es darin einige Ferienwohnungen gibt, habe die Namen abfotografiert und gehe irgendwann mal schauen, ob wir da das nächste Mal hinkönnen und ob unsere alte Wohnung am Ende vielleicht so gar ein zu mietendes Appartement ist. Das wäre so cool.
Ansonsten sind wir mit der Standseilbahn nach Righi gefahren (das letzte mal waren wir auf der Spianata Castelletto, das ist nicht so weit oben und man fährt mit dem Aufzug hin) und haben den Ausblick über fast die ganze Stadt genossen:
Miomarito verbachten die restlichen Tage mehr oder weniger im Archiv, Tertia und ich schauten uns die Stadt an
und um das Kind ;-) bei Laune zu halten - die es ja wirklich nicht leicht hatte, 4 (!) Wochen Urlaub mit den alten Eltern, ganz ohne Geschwister oder gleichaltrige (bis auf die nur ein Jahr jüngere älteste Tochter unser Brüssler Freunde) Freundinnen - also sie durfte sich was aussuchen, schwankte zwischen einer Schifffahrt nach San Fruttuoso und einem Besuch des Aquariums. Ich konnte sie dann angesichts des schönen Wetters zur Schifffahrt überreden (so viel zum Aussuchen ... aber das Aquarium hat immer noch Delfine und Robben und ... nee).
Also ging es am Mittag des dritten Tages mit dem Schiff los, aus dem Hafen raus:
Ich war schon das ein oder andere Mal in
San Fruttuoso, aber das letzte Mal eben vor über 20 Jahren und nie im Sommer und nie mit dem Schiff von Genua aus. Man kommt in diese Bucht, die nach dem dort stehenden ehemaligen Benediktinerkloster benannt ist, nur zu Fuß oder eben mit dem Boot - bisher bin ich aber nur das wesentlich kürzere Stück von Camogli aus gefahren.
Es war wunder-wunderschön!
Zwischenstop in Camogli
hinter diesem Felsen kommt dann die Bucht
es ist definitiv nicht einsam da, aber trotzdem auch nicht voller als an anderen Stränden Italiens
Tertia war jedenfalls sehr, sehr glücklich und zufrieden (ich auch, miomarito sehr, sehr neidisch, weil er sass ja im Archiv) - und das Wasser hat wirklich diese Farbe!
Wir hatten eine Halbtages-Tour gebucht, d.h. wir fuhren um 14 Uh los, kamen einen gute Stunde später an und hatten dann zwei Stunden, um zu schwimmen und um 17:10 Uhr ging es dann wieder zurück. Das war dann etwas anstrengend, weil das Boot - das letzte - knallvoll war und die meisten Leute aus Portofino kamen (die Boote fahren Genua, Camogli, San Fruttuoso und weiter nach Portofino) und ... entsprechend ... waren.
Danach trafen wir uns mit dem neulich schon erwähnten römischen Freund/Kollegen zum aperitivo und Abendessen, Tertia verschwand dann ziemlich bald nach Hause bzw. ich brachte sie heim, weil sie verständlicherweise etwas genervt war, dass sie ständig (wir haben uns auch viel mit miomaritos Tante und ihren Freund*innen getroffen) mit langweiligen Erwachsenen am Tisch sitzen musste und auch noch kein Wort (naja, es klappt schon ein bisschen) verstanden hat. Ich habe aber in der vorletzten Nacht in Genua angefangen auf italienisch zu träumen und das fand ich dann schon toll.
Am nächsten Nachmittag blieb dann Tertia auch "zu Hause" während miomarito und ich wieder mit dem römischen Freund loszogen, um ein Museum anzuschauen, genauer das
Museo Sant'Agostino. Das ist der größte noch bestehende gotische Kirchenbau Genuas, inzwischen ein säkulares Gebäude und gilt als architektonisch bemerkenswerte Umbau (also in ein Museum). Es ist allerdings inzwischen etwas in die Jahre gekommen, also der Umbau, der leider unter Denkmalschutz steht, alles aus den 60ern (glaube ich) droht gerade zusammenzubrechen und darf aber eigentlich nicht verändert werden und *puh*. Ich weiß das deshalb, weil das eigentliche Museum (das ehemalige Kloster) geschlossen ist, es gibt in der Kirche eine tolle Ausstellung mit diversen Highlight aus der Sammlung:
Das Grabdenkmal für Margarete von Brabant von Giovanni Pisano
oder was ich sehr witzig fand: Ein Daniel in der Löwen(sicher?!)grube
(es gibt viele Memes über Konversationen zwischen mittelalterlichen Königen und Künstlern, die behaupten, zu wissen,
wie ein Elefant aussieht - könnte auch für Löwen gelten)
Und woher ich das über das Museum weiß? Eigentlich dachten wir drei das Museum sei renoviert und zumindest in Teilen wieder eröffnet, und unserer römischen Freund machte dann etwas Wind, sehr höflich, und wir bekamen eine Privat-Führung durch den armen Menschen (einen Archäologe), der jetzt für die Renovierung zuständig ist - und ich sage es mal so, da wird Stuttgart 21 früher fertig und miomarito und ich haben uns vorgenommen, jedesmal an diesen armen Menschen zu denken, wenn uns das mit der Renovierung unserer Hauses zu viel wird oder aber miomarito an seinem neuem Job im alten Dom von Mainz verzweifelt.
Aber es war sehr interessant, ich habe sehr viel verstanden, natürlich nicht so Zeug wie bei wem man wo welche Gelder her bekommt und welche Gesetze genau einem bei der Renovierung in Quere kommen, aber aus Ausmaß der Katastrophe schon ;-) Allerdings hatte ich danach vom angestrengten Zuhören tatsächlich Kopfschmerzen.
Es war übrigens kein Platz für einen richtigen Kreuzgang, deshalb haben die Mönche damals einen in Dreiecks-Form bauen lassen - geht anscheinend auch ;-)
Abends ging es dann zu einer deutschen Freundin, also die damals (vor zwanzig Jahren) unsere Freundin war und die in Genua hängen geblieben ist - das war super nett und super witzig, auf drei Sprachen (ihr Mann sprach mit Tertia englisch) und die beiden haben sich jetzt ihre Wohnung (in der sie schon ewig wohnen) gekauft und jetzt können wir immer vorbei kommen und DIESE Aussieht genießen.
(man muss allerdings in den 6. Stock hoch steigen, weil es keinen Aufzug gibt)
Am nächsten Morgen noch schnell ein Museumsbesuch in der Commenda di Prè, das
Museo Nazionale dell'Emigrazione Italiana, aber das war eigentlich zu viel. Wir nur eine Stunde drin und haben Fotos gemacht (für miomaritos Mainz Job) während Tertia äußerst gelangweilt war (verständlich). Dafür ging's dann nach letzten Einkäufen noch schnell (haha, letztes Ferienwochenende in Italien, Samstag, sonnig, warm) an den Strand, irgendwo zwischen Nervi und Camogli - auf dem Foto sieht man wieder den Felsen, um den wir mit dem Schiff fahren mussten, um nach San Fruttuoso zu kommen
So, das waren wirklich wunderbare Tage in Genua, das müssen wir öfter machen, die Stadt fehlt mir schon sehr, aber wenn man mal wieder da ist, ist es fast so, als wäre man nie weg gewesen (außer die paar Sachen, die sich Mama, ZWANZIG JAHRE! verändert haben ;-))
Nessun commento:
Posta un commento