Langjährige Leser:innen werden sich vielleicht noch daran erinnern, wie wir vor 10 Jahren hier raus aufs Land gezogen sind, wie schwierig es war, überhaupt auch nur irgendwas für 5 Menschen zu finden und wie wir uns parktischerweise sofort in das einzige Angebot, das es nach monatelanger Suche gab, verliebt haben. Wie wir hier fleißig Böden geschliffen und Wände gestrichen haben und uns in "unser" altes Schulhaus eingelebt haben. Wie wir bei starkem Regen Handtücher vor die Fenster legen, mit den Mäusen leben (und die Rattenplage bekämpft haben) und wie kalt es im Winter in den Zimmern ohne Heizung ist. Und natürlich wie wir vor Gericht gezogen sind, damit wir hier wohnen bleiben dürfen.
Dabei schwebte ja die ganze Zeit das Ableben unserer ja doch schon nun älteren und auch eher kränklichen Vermieterin wie ein Damoklesschwert über unseren Häuptern, denn als Untermieter stünden uns dann rechtlich nur drei Monate zur Verfügung etwas neues zu finden - was bei den derzeitigen Wohnungspreisen und überhaupt dem engen Immobilienmarkt bedeuten würde, dass wir uns entweder in eine Tübinger 4-Zimmer-Wohnung quetschen oder aber ganz weit raus auf die Alb ziehen müssten. Trotzdem haben wir uns immer mal wieder ein Haus angeschaut, mal mehr zum Spaß, mal auch ganz ernst, aber gefunden haben wir trotzdem nichts - und außerdem gefällt es uns hier ja so gut, dass wir das quasi bis zur letzten Sekunde auskosten wollen. Wir hatten auch mal versucht, in Zusammenarbeit mit der damaligen Ortsvorstehern, das Haus zu kaufen, die Wohnungsbaugesellschaft (bzw. der damalige Chef oder Zuständige oder was weiß ich) murmelte aber gleich was mindestens 'ne halbe Million (das war vor ein paar Jahren, als man für eine halbe Million hier noch Reihenhäuser bekam, inzwischen kostet eigentlich alles noch sehr, sehr viel mehr), wir machten ein Angebot (unter einer halben Million), und hört dann irgendwie nie wieder was zum Thema.
Bis zu diesem Frühjahr, da liess sich ja unsere Heizung nicht mehr richtig reparieren und die Wohnungsbaugesellschaft fragte telefonisch nach (neuer Chef, neue Zuständigkeiten usw.), ob wir nicht vielleicht Interesse hätten, das Haus zu kaufen. Ich war am Telefon, schluckte drei mal, versicherte dann unser Interesse und überlegt mir verzweifelt, wo wir jetzt um Gottes Willen Geld herbekommen sollten, um das Haus zu kaufen. Miomarito war ja arbeitslos, ich nur so halb selbständig und hatte ja auch gerade Geld in die unsichere Zukunft der Crêperie gesteckt. Wir trösteten uns ein wenig mit der Tatsache, dass der Preis sicher eh so komplett ausserhalb unserer Möglichkeiten (auch mit Jobs) liegen würde, dass es eh niemals klappt würde. Es kamen Gutachter und dann ... ich glaube Anfang April ... war ich wieder am Telefon, als man uns den Kaufpreis nannte - der deutlich unter dem lag, was wir damals angeboten hatten - und man uns bat, uns bitte bis Mitte Mai zu entscheiden. Miomarito war immer noch arbeitslos, mit der Crêperie liess sich jetzt auch kein Hauskauf finanzieren, die Bank brach verständlicherweise in Gelächter aus und wir fingen an, eine Liste mit Menschen zu machen, die uns vielleicht Geld leihen würden, damit wir irgendwie "unser" Haus kaufen könnten. Es schein ziemlich aussichtslos, auch wenn miomarito inzwischen bei den Bewerbungen gut voran kam, es lief uns die Zeit davon, denn bis Mai gäbe es auch keinen unterschriebenen Arbeitsvertrag, der die Bank vielleicht milder stimmen würde.
Dann kam aber mein Bruder ins Spiel, der eh schon ziemlich oben auf der Liste mit Menschen, die man vielleicht um Geld fragen könnte stand, und der befand sich praktischerweise zeitgleich auf der Suche nach einem Investitionsprojekt, bevorzugt etwas für günstiger Wohnraum für Familien, allerdings war eher der Raum Kaiserslautern angedacht. Wir telefonierten viel, meine beiden Brüder kamen hier her und schauten sich das Haus an (der eine als Geldgeber, der andere als Architekt), ein Zimmermann aus dem Dorf, der sich mit altem Fachwerk auskennt, begutachtete die Holzbalken - also da, wo man hinkommt - ein weiterer Gutachter kam - und dann kaufte mein Bruder das Haus. Unterschrieben wurde vor 2 Wochen als wir im Urlaub waren, das Ganze ging dann doch nicht ganz so schnell wie gedacht, weil natürlich x-Sachen geklärt werden mussten, unter anderem auch die nicht ganz einfache Sache, dass unsere Vermieterin ja jetzt Mieterin ist und wir trotz allem natürlich nicht ihr lebenslanges Wohnrecht hier anrühren möchten.
Ja, und jetzt gehört das Haus meinem Bruder, der da regelmäßig aus Steuergründen Geld hineinstecken möchte, wir wohnen hier weiter als Mieter, müssen keine schlaflosen Nächte wegen irgendwelcher abzuzahlender Kredite haben, können aber ansonsten frei schalten und walten und müssen uns nie, nie, nie wieder Sorgen machen, dass wir zwar nicht unbedingt auf der Straße, aber eventuell auf der Alb landen (und irgendwann erben die Kinder das Haus).
Und so beschäftigen wir uns jetzt gerade sehr viel mit modernen, umweltfreundlichen Heizungssystemen, dem Denkmalschutz (das Haus steht auf der Liste der zu prüfenden Objekten), den dringend vorgeschrieben Isolierungsarbeiten, der Gartengestaltung (ich möchte einen Tanne fällen lassen, und HA! ein paar Johannisbeersträucher entfernen) und überhaupt! Wir werden Arbeit für die nächsten Jahrzehnte haben! Und ein Haus, das quasi uns gehört!! So, so toll!!! (und ein Bruder, der Architekt ist und ein Schwager, der Raumausstatter gelernt hat und es wird alles so so so schön werden!)