venerdì 30 agosto 2024

Buch-Tipp

Während ich am frühen Morgen schaue, dass Silencia die Wohnung am Lago verlässt, mit ihren zwei Koffern von miomaritos Tante zur Bushaltestelle gefahren wird und dann hoffentlich den Bus nach Garda (und dann weiter nach Verona - und dann den Flixbus nach Florenz und dann den nach Perugia bekommt (nein, ab Verona entspanne ich mich und hoffe auch, dass keine weiteren Anrufe kommen)), gibt es jetzt einen Buch-Tipp:

Ich bin in den letzten Jahren irgendwie gar nicht mehr zum Lesen gekommen, abends im Bett reichte es meistens nur für eine oder zwei Folgen einer Serie. Da ich aber so gerne Bücher verschenke, bin ich dazu übergegangen, Bücher aus oder zu Podcasts zu verschenken, oder von Leute aus Podcasts - jedenfalls in der Regel Bücher, die ich nicht selbst gelesen hatten, von denen ich aber glaubte, dass sie interessant seien und dem oder der Beschenkten gefallen könnten.

Ein Buch hatte meinen Eltern besonders gefallen, Rückkehr nach Lemberg von Philippe Sands, das hatte letztes oder vorletztes Jahr jemand vom Ostausschuss der Salonkolumnisten empfohlen (ich glaube Gabriele Woidelko) und als ich auf der Suche nach "was anständigem" zum Lesen für den Urlaub war - ich hatte mir vorgenommen, unbedingt ein paar Bücher zu lesen - , kaufte ich es mir selbst und nahm es mit (nicht wirklich darüber nachdenkend, um was es in dem Buch geht).

In Rückkehr nach Lemberg beschreibt der Menschenrechtsanwalt Philippe Sands nämlich die Lebensgeschichte der beiden Juristen Hersch Lauterpacht und Raphael Lemkin, beide aus Lemberg (Lwiw, Lwów, Lwow) beide Juden, die die Begriffe "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" (Lauterpacht) und "Genozid" (Lemkin) im Zusammenhang mit den Nürnberger Prozessen geprägt bzw. "erfunden" haben, um der eigentlichen Unermesslichkeit der deutschen Verbrechen einen juristischen Begriff zu geben. Eine weitere Hauptperson ist Hans Frank, der Anwalt Hitlers und Generalgouverneur ("König") Polens, der ja seine Dienst-Tagebücher nicht vernichtet sondern bei seiner Verhaftung den Alliierten übergeben hatte (in der völlig bescheuerten und anmaßenden Absicht, sich damit entlasten zu können ...) und mit dessen Sohn sich Sands mehrmals getroffen hat. Gleichzeitig erzählt Sands aber auch die Geschichte seiner eigenen, jüdischen Familie, die ebenfalls aus Lemberg stammt und von der auch nur seine Großeltern den Holocaust überlebt haben. 



Das Buch hat fast 600 Seiten und trotz des unglaublich schwierigen Themas, sowohl was den Holocaust angeht als auch die Tatsache, dass ich jetzt kein Jura-Freak bin, habe ich das einfach in drei oder vier Tage durchgelesen, weil es unglaublich spannend ist, unglaublich gut und verständlich geschrieben und man auch irgendwie zur (kleinen) Gerechtigkeit der Nürnberger Prozesse kommen will - sonst droht ja die innere Shosanna Dreyfus

Darüberhinaus ist es interessant zu lesen, wie sich bereits in den 40er Jahren die Problematik des Begriffs Genozid abzeichnet (gerade wenn es jetzt wieder darum geht, was juristisch ein Genozid ist oder was nicht) und natürlich die Geschichte der Stadt Lemberg/Lwiw - das Buch wurde 2019 veröffentlicht und die Krim-Annexion durch Russland wird ein bisschen thematisiert - aber man möchte einfach auch nur weinen, weil man Mitleid mit dieser Stadt hat, die irgendwie nie in Ruhe existieren darf und wo in regelmäßigen Abständen so viel zerstört wird und verloren geht. 

Also, unbedingte Lese-Empfehlung. 

P.S.: längere Leseprobe gibt es hier


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